Katja Hoyer

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Katja Hoyer (2024)

Katja Hoyer (* 1985 in Guben) ist eine deutsche Historikerin und Autorin, die seit 2010 in Großbritannien arbeitet.

Leben und Werk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hoyer wurde wenige Jahre vor dem Ende der DDR in Guben geboren. Ihr Vater war Offizier in den Luftstreitkräften der NVA,[1] die Familie lebte in einer Wohnsiedlung für NVA-Berufssoldaten in Jänschwalde-Ost. Kurz nach der Geburt von Katja Hoyer setzte ihre Mutter das Studium zur Geschichtslehrerin in Dresden fort. Dann zog die Familie nach Strausberg, wohin Hoyers Vater versetzt worden war.[2] Beim Fall der Mauer war Katja Hoyer vier Jahre alt, sie wuchs weiter in Strausberg auf.

Hoyer studierte Geschichte an der Universität Jena; das Studium schloss sie mit einem M.A. ab.

Um 2010 zog sie nach England, wo sie seitdem arbeitet. Hoyer ist Visiting Research Fellow am King’s College London und Fellow der Royal Historical Society. Sie arbeitet als Journalistin unter anderem für den Spectator (seit 2021[3]) und für die Washington Post (2021–2023[4]). Seit April 2023 schreibt sie eine Kolumne in der Wochenendausgabe der Berliner Zeitung.[5]

2021 veröffentlichte sie mit Blood and Iron ihre erste Monographie. Thema des Werks ist die Geschichte des Deutschen Kaiserreichs. Das Buch wurde in Großbritannien sehr positiv aufgenommen. 2023 erschien mit Beyond the Wall ihr zweites Buch, eine Geschichte des Lebens in der DDR aus Sicht der „normalen“ Leute. Auch dieses Buch wurde in Großbritannien sehr positiv aufgenommen. Die deutsche Übersetzung unter dem Titel Diesseits der Mauer erhielt in Deutschland hingegen überwiegend negative Kritiken, es verkaufte sich aber gut: im Juni 2023 kam der Titel auf Platz 7 einer Sachbuch-Bestenliste.[6] Beyond the Wall wurde in elf Sprachen übersetzt.

Im Kaiserreich[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Katja Hoyers Sachbuch Blood and Iron (deutscher Titel: Im Kaiserreich) zählt fünf Kapitel, gegliedert nach den Zeitabschnitten Befreiungskriegs bis zur Reichsgründung, von der Reichsgründung bis zum Dreikaiserjahr, das Dreikaiserjahr selbst, vom Abtritt Bismarcks bis zum Kriegsausbruch 1914, und über den Ersten Weltkrieg.

Diesseits der Mauer[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Katja Hoyers Sachbuch Beyond the Wall (deutscher Titel: Diesseits der Mauer) ist in zehn chronologisch angeordnete Kapitel gegliedert, die von 1918 bis 1990 reichen. Die meisten davon öffnen mit anekdotischen Ereignissen, die Personen der Zeitgeschichte, aber auch unbekannte Frauen und Männer betreffen. Unter den von der Autorin interviewten Personen sind auch Egon Krenz und Frank Schöbel.

In Großbritannien wurde Beyond the Wall 2023 für den Baillie Gifford Prize for Non-Fiction nominiert und kam mit zwölf anderen Titeln auf die Long List.[7]

Der Journalist Norbert F. Pötzl warf Hoyer in der Süddeutschen Zeitung eine „SED-Lesart“ vor, wonach vor allem der Westen für das Scheitern der DDR verantwortlich sei.[8] Die Journalistin Sabine Rennefanz vermutete hingegen in ihrer Spiegel-Kolumne, dass die „wenigen, brutalen Verrisse das letzte Aufbäumen der kalten Krieger“ sein könnten.[9] Der in der DDR geborene Journalist Marko Martin fand in der taz kein gutes Wort für das Buch. Nichts darin sei neu oder originell, vieles falsch und beschönigend, der Einsatz von Zeitzeugen erinnere an Guido Knopp.[10] Der amerikanische Historiker John Connelly bezeichnete das Buch als gescheitert und warf Hoyer „frappierende Unkenntnis […] über die realen Verhältnisse im real existierenden Sozialismus“ vor.[11]

Der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk äußerte sich mehrfach sehr kritisch über das Buch, so im Tagesspiegel[12] oder im Freitag.[13] In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung urteilte er: „Es taugt nichts, weil es Alltag und Diktatur getrennt voneinander betrachtet. […] Von SED über Mauer bis politische Indoktrination fehlt praktisch alles, was ihren Erzählfluss vom kuscheligen Leben stören würde. Dieses Buch ist aus wissenschaftlicher Sicht unmöglich. Gleichwohl bedient es eine Lücke. Wir haben es bisher alle in der Öffentlichkeit nicht geschafft, Gesellschaftsbilder über die DDR tragfähig zu machen, in denen sich viele Menschen wiederfinden. Die meisten fühlen sich ausgeschlossen von historischen Debatten über die DDR. Das ist ein Problem und die Begründung, warum diese populistischen Bücher so einen Erfolg haben.“[14] Der Historiker Hermann Wentker (Leiter der Abteilung Berlin des Instituts für Zeitgeschichte) bezeichnete Katja Hoyers Werk als „reines Ärgernis“.[15] Der DDR-Bürgerrechtler Wolfgang Templin bezeichnete Hoyers Umgang mit biographischen Deutungen der Beteiligten als problematisch. Die „Grenzen von Zustimmung, Anpassung, Einordnung, Unterordnung und Mittäterschaft“ in der DDR würden so verschwimmen. Das Buch sei insgesamt eine „vertane Chance“.[16] Der Historiker Jens Gieseke bezeichnete das Buch als „historiografisch […] ohne Belang“, es stelle „methodisch und in seinen analytischen Befunden einen deutlichen Rückschritt dar“. Letztlich praktiziere Hoyer „Geschichtsrevisionismus“.[1]

Veröffentlichungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Blood and Iron. The Rise and Fall of the German Empire 1871–1918. History Press, Cheltenham 2021, ISBN 978-0-7509-9622-8.
    • Im Kaiserreich. Eine kurze Geschichte 1871–1918. Hoffmann und Campe, Hamburg 2024, ISBN 978-3-455-01728-1. (Ins Deutsche übersetzt von Norbert Juraschitz.)
  • Beyond the Wall. East Germany, 1949–1990. Allen Lane, London 2023, ISBN 978-0-241-55378-7.
    • Diesseits der Mauer. Eine neue Geschichte der DDR 1949–1990. Hoffmann und Campe, Hamburg 2023, ISBN 978-3-455-01568-3. (Ins Deutsche übersetzt von Franka Reinhart und Henning Dedekind.)

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Katja Hoyer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Jens Gieseke: Rezensionsessay: K. Hoyer: Diesseits der Mauer. In: H-Soz-Kult, 31. August 2023.
  2. "Es wird wenig darüber gesprochen, wie die DDR in die deutsche Geschichte passt". Interview mit Katja Hoyer, RBB, Erstausstrahlung am 7. Mai 2023 (Online)
  3. Beiträge von Katja Hoyer für den Spectator, vom 1. März 2021 an.
  4. Beiträge von Katja Hoyer für die Washington Post, vom Juli 2021 bis März 2023.
  5. Tomasz Kurianowicz,Moritz Eichhorn: In eigener Sache: Katja Hoyer wird Kolumnistin der Berliner Zeitung am Wochenende. In: Berliner Zeitung. 28. März 2024, abgerufen am 6. April 2024.
  6. ZDF, Deutschlandfunk Kultur, ZEIT: Die Sachbuch-Bestenliste für Juni 2023 (Abgerufen im März 2024)
  7. 2023: The Baillie Gifford Prize for Non-Fiction (Abgerufen im März 2024)
  8. Norbert F. Pötzl: Eine ganz kommode Diktatur. In: Süddeutsche Zeitung, 4. Mai 2023.
  9. Sabine Rennefanz: Neue Ost-Debatte: Wider den DDR-Hass - Kolumne. In: Der Spiegel, ISSN 2195-1349, 11. Mai 2023
  10. Marko Martin: Mit Mutti zum Kaffee bei Egon Krenz. In: taz, 13. Mai 2023.
  11. John Connelly: „Eindeutig deutsches Experiment“. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27. Juni 2023.
  12. Ilko-Sascha Kowalczuk: Sozialismus in Pastell. Katja Hoyers substanzlose DDR-Geschichte. In: Tagesspiegel, 9. Mai 2023.
  13. Ilko-Sascha Kowalczuk: Kleine, feine DDR. Katja Hoyers Buch „Diesseits der Mauer“ ist jetzt schon ein Bestseller. Unser Autor ist entsetzt. In: Freitag, 11. Mai 2023.
  14. Ilko-Sascha Kowalczuk: „Ich bin nun mal diktaturgeschädigt.“ Wie erinnern wir uns an die DDR und wer bestimmt das. Interview von Stefan Locke. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 21. Mai 2023.
  15. Hermann Wentker: Rezension von: Katja Hoyer: Diesseits der Mauer. In: sehepunkte 23 (2023), Nr. 7/8 (15. Juli 2023).
  16. Wolfgang Templin: Die neue ostdeutsche Welle. In: Deutschland-Archiv, ZDB-ID 2594575-0, eine Reihe der Bundeszentrale für Politische Bildung, 7. Juli 2023.